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Fingerzeiggesellschaft - oder gehen wir voran?

Über ein Jahr ist bereits vergangen nach dem rassistischen Anschlag von Hanau, der 12 Menschen das Leben gekostet hat. Der Tag wie ein Weckruf. Wieder einmal. Für ein Land, das von seinen Problemen weiß, aber keine strukturellen Reformen anstrebt.

Während der Tod von George Floyd die Black lives matter Bewegung in den USA über Monate hinweg an die Spitze der medialen Berichterstattung katapultiert hat, war das Interesse nach dem rassistischen Anschlag von Hanau schnell verflogen. Solidarisierung vor allem in Social Media. Bei 12 Menschenleben. Deutschland - wo sind wir?

Rassismus in Deutschland ist ein off-topic. Etwas, das andere mehr betrifft als uns. Wir haben die Geschichte aufgearbeitet. Rassismus in Deutschland? Ein Randthema, so die einschneidende Meinung. Dabei warnen Menschen wie Tupoka Ogette – Anti-Rassismus-Trainerin- bereits seit Langem vor einer „gefährlichen Polarisierung in unserer Gesellschaft“. Als Tochter einer weißen Deutschen und eines schwarzen Tansaniers sorgt sie sich heute um das Leben ihrer kids of color. 

Wir haben die Wahl:
  1. Wir machen weiter wie bisher. Wir glauben daran, in einer antirassistischen Gesellschaft zu leben. Wir sehen nicht die tief verankerten Probleme auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen. Sie sind klein, so wie die rassistische Minderheit, von der die physische Gewalt ausgeht. Wir drücken unsere Anteilnahme nach rassistischen Anschlägen aus und solidarisieren uns. Wie gehabt.
  2. Wir verbessern uns. Wir glauben nicht, in einer antirassistischen Gesellschaft zu leben. Rassismus hat viele Dimensionen. Wir sehen die tief verankerten Probleme auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen. Sie sind groß, keine rassistische Minderheit, denn neben physischer gibt es auch psychische und wirtschaftliche Gewalt. Wir ersticken rassistische Anschläge im Keim. Wir reformieren Gesellschaft. Wir denken neu.
In einer rassismusfreien Gesellschaft zu leben kostet Zeit. Die seit Jahrhunderten vorherrschenden Strukturen aufzubrechen ist eine große Aufgabe. Aber eine, für die betroffene Menschen wie Tupoka Ogette jetzt die richtigen Worte haben: „Als Kind hatte ich kaum Worte für das, was mir passiert ist. Daher habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diese Worte zu finden. Den weißen Menschen um mich herum ging es genauso, es wurde nicht darüber geredet.“ Ein guter Zeitpunkt für uns als Gesellschaft, die richtigen Fragen zu stellen und Gesellschaft neu zu interpretieren. Denn „sobald man Worte für etwas hat, wird es real“, weiß Tupoka Ogette und wirkt zuversichtlich.

Aber was können wir tun, damit aus Sprechen Handeln wird?

Rassismus darf nicht länger off-topic sein – so viel ist klar. Es ist beschämend, dass Menschen wie Tupoka Ogette anderen Eltern von kids of color Workshops anbieten, um mit ihnen Strategien für den Umgang mit Alltagsrassismen zu erarbeiten.

Daher hier mal zwei bayti-Ideen, die in unseren Augen sinnvoll sind:
  1. Weiße Menschen beschäftigen sich mit ihren Privilegien und den Machtstrukturen. Es gibt heute schon Workshopangebote für Unternehmen, Vereine, Schulen oder Behörden. Wer möchte, kann sich kritisch mit Dominanzgesellschaften auseinandersetzen und Dinge hinterfragen. Noch richtiger ist es, diese Workshops verpflichtend in Lehrpläne und betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen aufzunehmen. Wie wäre es mit Anti-Rassismus-Beauftragten in allen Organisationen?
     
  2. Nationale Trauertage für Attentate wie den Anschlag von Hanau. Während sich die junge Genration mit vielen – häufig christlich geprägten - Feiertagen nicht identifizieren kann und der zweite Weltkrieg für junge Menschen sehr weit weg ist, lösen die Anschläge eine unmittelbare Betroffenheit aus. Gleichzeitig verdeutlichen sie den älteren Generationen, dass wir Rassismus seit dem zweiten Weltkrieg noch lange nicht besiegt haben.
Wie wir uns auch entscheiden. Deutschland, wir brauchen eine Antwort. Zeigen wir weiter mit dem Finger auf andere oder gehen wir mit Reformen voran?

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